*1997
studies Fine Arts at the University of Arts Berlin with Prof. Mark Lammert
Eröffnungsrede von Carolin Bernhofer zur Ausstellung „Kartographie einer Handvoll Wüste“, 18. November 2022
Anlässlich ihrer ersten Einzelausstellung stellt Sophia Berg ihr Material vor. Sand, Steine und Glas. Eng verknüpft damit sind es die jeweiligen Orte, denen das Material entstammt und deren eigene Geschichten Sophia Berg wiederum Material liefern. Sand, Steine, Glas sind Resource, sind Baumaterial. Sind zugleich wiederkehrende biblische Figuren für die menschliche Substanz. Diese Ausstellung fasst gewissermaßen die Ergebnisse einer Recherche zusammen, die um die Negevwüste Israels kreist ohne noch einen Fuß in sie gesetzt zu haben. Ein Kreisen in engeren oder weiteren Bahnen, um sinnbildliche Bedeutung oder reales Material. Ein Kreisen auch, das schließlich doch sein Zentrum ergründen will.
Beginnen wir aber von vorn. Mit einer Handvoll Wüste. Über Frankreich nach Berlin geschickt, diente Sophia Berg seit 2018 eine Pappschachtel voller Sand, der der Negevwüste entstammte, als Anschauungsmaterial und wertvolles Gegenüber für gelegentliche Zeichnungen. Die Strukturen des Sandes bargen eine Vielfalt an Formationen und regten zu unterschiedlichen zeichnerischen Herangehensweisen an. Zugleich führten diese Studien im Maßstab 1:1 an den Ursprung kartographischer Zeichentechniken heran und ließen das Interesse für die Negevwüste wachsen. Im Frühjahr 2020 reiste Sophia Berg für ein Auslandssemester an die Bezalel Academy nach Israel. Vor Semesterbeginn verbrachte sie bereits einige Wochen im Land, lernte zukünftige Mitstudierende kennen und bereiste die Städte. Jäh musste sie schon nach kurzer Zeit abreisen, da ein neuartiges Virus sich weltweit auszubreiten begann und der internationale Reiseverkehr zum Erliegen kommen sollte. Sophia Berg verließ Israel, noch bevor sie einen Fuß in die Wüste gesetzt hatte. Zurück in Europa nutzte sie erneut, was sich ihr in der geöffneten Schachtel darbot. Im Frühjahr 2022 mündeten die sporadischen Sandzeichnungen schließlich in eine umfassende Auseinandersetzung mit an kartographische Techniken angelehnte Zeichentechniken. Systematisch und beinahe obsessiv separierte sie Technik um Technik um diese anschließend zu sukzessive verdichteten Sandlandschaften zu kombinieren. Es entstand die vielteilige Serie “Sandmobilität”. Ihr derart wachsendes Interesse für Gestein führte Sophia Berg mitunter an den östlichen Rand Berlins. Der Kalksteintagebau Rüdersdorf liefert seit Jahrhunderten Rohstoffe für die Bauindustrie und der Tagebau hat sich über die Zeit entsprechend stark ausgedehnt. Vor Ort gesammeltes Gestein mahlte Sophia Berg zu feinem Sand, den sie als Grundierung für die Arbeit “Berliner Untergrund” nutzte. In die mit Sand grundierte Holzplatte schürfte und ritzte sie ein Relief der Grube, das an Satellitenbilder dieser wüstenähnlichen Tagebaulandschaft denken lässt. Im Unterschied zu den im Hinblick auf den Materialaufwand so einfach gehaltenen Bleistiftzeichnungen auf Papier, kristallisierten sich Zirkelschlüsse von Material und Inhalt seitdem als wesentliche Komponente der materialintensiveren Arbeiten heraus. Zu ihrer charakteristischen Arbeitsweise gehören seither umfangreiche Prozesse von der Materialrecherche über dessen Beschaffung bis hin zu Verarbeitung und Anwendung. Die zum Einsatz kommenden Schürf- und Ritztechniken, mit denen Sophia Berg sukzessive Material abträgt um in die Oberfläche zu zeichnen, ähneln kunsthistorisch der Bearbeitung von Druckstöcken für die Radierung oder den Holzschnitt. Schließlich bedient Sophia Berg sich auch in Bezug auf Glas und dessen Geschichte gewisser Zirkelschlüsse. Der älteste Glasbrennofen wurde in Amarna gefunden, der lange Zeit vom Sand der Sahara verschütteten historischen Hauptstadt Ägyptens. Glas wird zu wesentlichen Teilen aus Quarzsand hergestellt und Sophia Berg arbeitete mit dem Pigment Ägyptisch Blau um ein Bild einer in Amarna ausgegrabenen Scherbe zu schaffen. Ägyptisch Blau ist zugleich ebenjenes Material, das sich bei weiterer Verarbeitung in Glas verwandelt.
Abschließend sowie ausblickend können wir damit gespannt sein, wohin Sophia Berg die Suche nach dem Material und seiner Geschichte führen wird. Insbesondere, weil sie im kommenden Jahr noch einmal die Gelegenheit haben wird, die Negevwüste zu bereisen.